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Dollarisierung |
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Währungstheater
Währungen sind schillernd. Solide, schwindsüchtig oder bärenstark
treten sie im Geldspektakel auf, das Akteure von oft zweifel- haftem
Ruf der Welt vor- gaukeln. Ab und an tingeln Schattenwährungen vorbei. |
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In Ecuador kam eine ganz andere Variante
auf die Bühne: "Bäumchen wechsle Dich" wurde gegeben.
Der US Dollar ersetzte die Landeswährung "Sucre". |
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Harvardmann verordnet Dollar
Ecuador kämpft schon lange mit dem rapiden Verfall seiner Währung,
durchlitt permanent Unruhen und sah in jüngster Zeit fünf
Präsidenten in knapp drei Jahren. Einer von ihnen, ein Harvardabsolvent,
nahm Zuflucht zu einer Währungsunion mit den USA. Ein Bankenskandal
ließ ihn frühzeitig verschwinden, was blieb, war seine
dollarisierte Wirtschaft. Wie es der geht? "Bedenklich",
sagen Geschäftsleute, wenn sie erst ihre Skepsis einem fragenden
Ausländer gegenüber verloren haben. Eine Menge Dampf hat
sich gesammelt, der zischend in Worten entweicht: "Die Importe
machen uns kaputt. Miserable Ware wird billig importiert, der Wettbewerb
ist verzerrt, und das Schlimmste ist, die Gewinne werden jetzt in
Dollars abgeschöpft und verschwinden aus dem Land. Zum Schluss
ist Ecuador wirklich nur noch eine Bananenrepublik mit billigen Arbeitskräften.
Wir sollen bloß Importwaren konsumieren, aus den USA, aus China,
aus ganz Asien! Nichts investiert das Ausland, das auch dem Land tatsächlich
nutzt. Von wegen Freihandel"! Kredite, günstige
Kredite
Die Hintergründe dieser Wut sind im Straßenbild großer
Städte und im Alltag nicht leicht erkennbar. Die Geschäfte
bersten vor Angeboten, es wird gehandelt und gekauft. Waren aller
Art, selbst Luxusartikel sind reichlich vorhanden. Den Markt über-
schwemmen Billigimporte aus China, der Rest kommt hauptsächlich
aus den Vereinigten Staaten. Auffallend: Eine Flut brandneuer Autos,
meist der gehobenen Allradklasse aus den USA, Japan und Korea, pflastert
die Inkastraßen mit Blech. Man reibt sich die Augen. Wie dies
alles bezahlt wird? "Mit Kredit narürlich!". Gut zu
wissen, denn die Konsumentenkredite werden direkt durch internationale
Kredite finanziert. Die Weltbank warf sich mit 2 Milliarden Dollar
und erhobenem Zeigefinger in Richtung Marktwirtschaft und Reformen
ins Rennen. Die kamen zögerlich und trafen die Falschen. Streiks
und militante Unruhen lähmen und verunsichern das Land. Die Straßen
sind von Pockennarben brennender Autoreifen übersät, Spuren
der Blockaden. Die Anschubfinanzierungen greifen nicht, sondern provozieren.
"Und wie schätzen Sie die Entwicklung in Ecuador ein"?
Erstaunlich einhellig geht der Daumen nach unten, "schlecht!"
Argentiniens Tanz mit dem Dollar
Was soll denn schlecht daran sein, fragt man in Harvard? Wohin, wenn
nicht aufwärts, führt eine Dollarisierung! Wäre andererseits
denkbar, dass der Dollar nur das Kopfweh Ecuadors dämpft, die
Wurzeln des Leidens aber nicht beseitigen kann, auch garnicht will?
Zur Einschätzung der Dollar-Heilmethode liefert Argentinien ein
Beispiel. Dort sammelte man Erfahrungen mit einer gescheiterten Dollarehe.
Könnte das argentinische Szenario auch auf Ecuador zukommen?
Der mit dem Dollar tanzte, Carlos Menem, levantinischer Gaucho! Er
zauberte Anfang der Neunzigerjahre ein traumhaftes Angebot aus dem
Hut, und beschwor mit peronistischen Worten eine eins zu eins Bindung
des maroden Pesos an den US Dollar. Schlagartig war ein schwächelnder
Peso gleich viel wert, wie ein Dollar! Ausgelaugt von Diktatur und
Schrecken, sah man seinem Experiment gleichgültig zu, winkte
müde ab: "Was soll man sich viel Gedanken machen, die daoben
sind doch alle gleich"! Meist noch mit dem Zusatz "korrupt".
Kredite, gefährliche Kredite
Damals war es ein Leichtes, die Banker, institutionellen Anleger der
ganzen Welt und gar die Weltbank davon zu überzeugen, dass die
Heilung des Pesos allein im großzügigen Gewähren von
Krediten läge. Zu jener Zeit wusste man von kommenden Bankenkrisen
und Börsenzusammenbrüchen noch nichts, oder wollte nichts
wissen. Das Spiel konnte beginnen.
Einzige Bedingung der Kreditgeber: Marktwirtschaft, Reformen! Kein
Problem. Das ungeputzte Tafelsilber wurde verscherbelt, billig, weil
unrentabel. Alles ging über den Tisch: Minenrechte, das Telefonnetz,
Energieversorger, ganze Landstriche. Ein Bonanza der Schnäppchenjäger
begann: Benetton und andere kauften ganze Stücke von Patagonien,
die spanische Telefonica das Telefonnetz, für jeden Geschmack
war etwas im Angebot. Bei soviel Wohlverhalten zeigten sich die Börsen
erkenntlich. Die Anlegerwelt jubelte den profitablen argentinischen
Staatsanleihen zu, die gleichen, die später verschämt aus
dem Angebot genommen und als Verluste abgeschrieben wurden.
Das argentinische Karussell drehte sich rasend, Waren flossen ins
Land, hauptsächlich aus den USA, die sich über den Exportschub
freuten. Endlich Konsum, der bezahlbar war! Dollarbasiertes Selbstwertgefühl.
In Argentinien herrschte eitel Freude, der Zauberer strahlte, und
alles lief ganz wunderbar. Bei stetigen Kreditzuflüssen war der
Staat in der Lage zu konsumieren und Löhne und Gehälter
zu bezahlen. Die Schlauen im Lande nutzten währenddessen fleißig
das legale Dollarschlupfloch, um ihr Eigenkapital ins Ausland zu retten
- und dort ist es heute noch. Das argentinische Auslandsvermögen
zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs im Jahr 2000 entsprach den argentinischen
Staatsschulden - rund 120 Milliarden Dollar.
Als nach einer fiestareichen Dekade den Weltbankern die Kredit-Chuzpe
ausging und Aschermittwochstimmung auf dem Börsenparkett einzog,
fehlten Argentinien plötzlich die Betriebsmittel für das
Aufrechterhalten der staatlichen Seifenblase. Substanzielle Reformen,
Umbau, d.h. die ganze schöne Agenda dessen, was sich ändern
müsste, kein Deut war geschehen. Zudem hatte die Weltbank es
nie übers Herz gebracht, dem faulen Zauberer einen blauen Brief
zu schicken! Piff, die schillernde Blase platzte, Hut leer, Show beendet,
Dollar vom Tisch. Chiau! Corralito
Das Vakuum erzeugte heftige politische Turbulenzen. Neue Akteure traten
in schnellem Wechsel an. Der Zusammenbruch hörte auf den Namen
Corralito - "Ställchen". Die Banken schlossen, das
Geld war weggesperrt, durch Rechenfinten verschwunden. Die Weltgemeinde
der Banker sah diese Maßnahme nicht ungern, denn ein Bankenzusammenbruch
in Argentinien hätte auch viele von ihnen bloßgestellt
und mitgerissen. Unruhen brachen sofort im Land aus, Schießereien,
Tote. Hunger und Suppenküchen tauchten auf, lokales Papiergeld
wurde gedruckt. Kriminelle Arten der Beschaffung setzten ein, erneut
waren die Strassen unsicher geworden. Argentinien stand tief beschämt
dort, wo es schon so oft stand, vor einem Scherbenhaufen, hoffnungslos
verschuldet. Ausverkauf?
Und die Aussichten? Im Wahlkampf 2002 (Wahlplakat: Menem weiß
wie es geht!) hatte Carlos Menem die Stirn, den Argentiniern sich
erneut als Retter anzubieten. "Ich werde dieses "Funny money",
so nannte er das Notgeld, rasch zum Verschwinden bringen". In
Rioja, seinem Heimatstaat, meinte ein Anwalt auf die Frage, wie der
Kandidat denn die Wende schaffen möge, "Er bringt den Dollar
wieder, dann wird alles gut"! Argentinien sagte jedoch Nein,
und sprach dem Patagonier Nestor Kirchner die Aufgabe der Quadratur
des argentinischen Kreises zu. Menem zog maulend ins chilenische Exil
und beklagt, die argentinische Justiz würde ihm ungerechtfertigt
nachstellen. Jedenfalls war abgewendet, was unter vorgehaltener Hand
von vielen Argentiniern als Befürchtung geäußert wurde.
"Wenn der wieder Präsident wird, steht ein Deal mit den
USA ins Haus: Verkauf von Patagonien gegen Schuldenerlass der 120
Milliarden Dollar. Die sind doch scharf auf das Land da unten, mit
all seinem Reichtum an Energie und mit den größten Wasserreserven
der Welt"! Kaum vorstellbar ist dieser Verdacht - aber war nicht
auch Alaska durch einen Deal an die USA gegangen? |
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Viel Glück
Möge Ecuador die bittere argentinische Erfahrung erspart bleiben!
Wer weiß, vielleicht gelingt der Dollar-Tanz hier besser? |
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